Der wachsende Müllberg im Kirchenmodell

Da steht auf dem Kirchplatz vor der Christuskirche in Leverkusen-Wiesdorf – die Christuskirche. Kleiner zwar, aber als maßstabsgetreues Modell unverkennbar dem Original aus dem Jahr 1906 nachempfunden. Der etwa zwei Meter große Nachbau der Leverkusener Stadtkirche ist hubwagengerecht auf einer Europalette platziert und innen hohl. Doch nach und nach füllt sich der Innenraum: mit wildem Müll vom Kirchplatz.

Das Projekt der Evangelischen Kirchengemeinde Leverkusen-Mitte ist am 1. August gestartet und soll voraussichtlich bis zu den Herbstferien im Oktober laufen. Pfarrer Detlev Prößdorf hat damit seinen lang gehegten Herzenswunsch erfüllt, „ein Zeichen zu setzen“. Ein Zeichen gegen die Vermüllung des Kirchenareals im Herzen der Stadt, unweit des Rathauses. Annähernd täglich müsse die Küsterin den liegengelassenen oder achtlos weggeworfenen Verpackungsmüll aufsammeln. „Übers Jahr sind das mehrere Kubikmeter.“ Statt die Überreste still zu entsorgen, macht die Gemeinde sie jetzt sichtbar. Bis zum Herbst, da ist Prößdorf sicher, wird das Modell randvoll sein.

Der begleitende Plakataufsteller.

Inzwischen mehr Menschengemachtes als Biomasse auf der Erde

„Wieso wirfst Du Deinen Müll hier hin?“, fragt ein Plakat provokativ, das neben dem Kirchenmodell aufgestellt ist. Für den Pfarrer gibt es eine Verbindung zwischen dem Verhalten vor Ort und den Millionen Tonnen an Plastikmüll, die sich jährlich auf den Weltmeeren zu riesigen Teppichen zusammenfinden. Und Prößdorf erinnert an die Meldung vom vergangenen Dezember, dass es mittlerweile auf der Erde mehr Menschengemachtes als Biomasse gibt. „Ich glaube nicht, dass wir uns damit einen Gefallen tun.“

Currenta unterstützt das Müllprojekt der Kirchengemeinde

Die Idee einer augenfälligen Aktion zum Müll auf dem Stadtkirchengelände ist schon zwei Jahre alt. Einen Mitstreiter hat der Pfarrer in Ulrich Bornewasser gefunden, Ansprechpartner des Chempunkts, eines Nachbarschaftsbüros des Leverkusener Chempark-Betreibers Currenta. Das Unternehmen hatte ohnehin vor, im Jahr 2020 das Thema Kreislaufwirtschaft in den Blickpunkt zu rücken. Da passte das lokale Beispiel gerade gut. Bornewasser stellte nicht nur den Kontakt zum Verein „Ausbesserungswert Leverkusen“ her, der eine monatliche Reparaturwerkstatt anbietet und den Bau des Kirchenmodells übernahm. Currenta trug auch die dabei entstehenden Kosten.

Das Luther-Zitat findet sich auf dem Modell wie auch auf der Fassade der originalen Christuskirche.
Das Luther-Zitat findet sich auf dem Modell wie auch auf der Fassade der originalen Christuskirche.

Mehr als hundert Stunden in die Umsetzung investiert

Manfred Buch, Peter Seiffert und ihre Mitstreiter vom Verein Ausbesserungswert investierten schließlich weit über hundert Stunden in die Umsetzung. Originalpläne der Kirche, eigene Vermessungen und zahlreiche Fotos dienten als Vorlage. Selbst das prägende Luther-Zitat an der Außenfassade durfte nicht fehlen: „Ein feste Burg ist unser Gott“.

Podiumsdiskussion zum Thema Müll in der Stadtkirche

Dass die nach der Fertigstellung ursprünglich für Mai 2020 geplante Müllsammelaktion coronabedingt erst auf den Herbst und dann auf das Jahr 2021 verschoben wurde, überrascht nicht. Aber noch länger wollte man jetzt nicht mehr warten. Am vergangenen Sonntag war die „Umweltkirche“, wie das Modell der Christuskirche genannt wird, auch Thema im Gottesdienst. Und für Donnerstag, 23. September, ist um 18 Uhr eine Podiumsdiskussion in der Stadtkirche geplant. Dann werden je ein Vertreter des örtlichen Kunststoffhersteller Covestro, eines Kölner Unverpackt-Ladens und des Entsorgungsunternehmens Avea sowie der Leverkusener Umweltdezernent der Frage nachgehen, was der wachsenden Vermüllung entgegengesetzt werden kann.

Hersteller und Nutzer in der Verantwortung 

Denn so will Pfarrer Prößdorf sein „klitzekleines Zeichen“ auch verstanden wissen: als Aufforderung an die Hersteller und Nutzer der Plastikprodukte, „stärker in die Verantwortung genommen zu werden, wenn es darum geht, was nachher mit dem Müll passiert“. Auch sie müssten einen Beitrag zur Müllvermeidung leisten. Denn dass Leverkusen nach seinem Empfinden auch im Vergleich „eine dreckige Stadt ist“, soll nicht so bleiben. Ein aufgeräumteres Dasein, so seine Überzeugung, hat auch aufgeräumtere Menschen und eine aufgeräumtere Gesellschaft zur Folge.

  • 25.8.2021
  • Ekkehard Rüger
  • Ekkehard Rüger