93-jähriger Mülheimer legt Internetleitung für Online-Gottesdienste selbst

In einer neuen Studie werden Teilnehmerinnen und Teilnehmer gefragt, wie sie in Zeiten der Corona-Pandemie Online-Gottesdienste wahrnehmen. Friedhelm Dissel könnte bei der Umfrage ganz besondere Erfahrungen mit Video-Gottesdiensten teilen. Denn der 93-jährige aus Mülheim an der Ruhr war so an der Teilnahme des Online-Gottesdienstes der heimischen Petrikirche interessiert, dass er sich den nötigen Internetanschluss gleich selbst in sein Zimmer im Haus Ruhrblick legte. Im Interview spricht er unter anderem darüber.

Um am digitalen Gemeindeleben teilzunehmen, haben Sie sich extra einen Internetanschluss legen lassen. Wie ist es dazu gekommen?

Friedhelm Dissel: Ich habe es mir nicht legen lassen, ich habe das einfach selber gemacht. Den Dienstweg habe ich natürlich ein­gehalten und erst einmal gefragt, ob ich das überhaupt darf. Nachdem ich das Okay bekommen habe, habe ich mich ein bisschen mit dem Hausmeister unterhalten, der mir ein paar Tipps gegeben hat. Da habe ich mir gedacht, dass das ja so schwer nicht sein kann. Ich glaube schon, dass das Personal und andere Bewohner etwas erstaunt waren, dass ich das einfach selbst in die Hand genom­men habe. Das hatte ich bei der Frage nach Internet näm­lich nicht erwähnt (lacht). Aber mit der Anleitung der Telekom, die beim Router dabei war, und durch meine beruflichen Erfahrungen als Elektriker, hat sich alles von selbst erklärt.

Vielen Menschen setzt die Einsamkeit, die das Virus und die Vorsichtsmaßnahmen verursachen, sehr zu. Hat Ihnen das Internet ein bisschen durch die Coronazeit geholfen?

Dissel: Ich brauche es nicht so viel wie andere und habe auch keinen Laptop oder Ähnliches. Ich habe es direkt an den Fernseher angeschlossen. So kann ich sonntags online den Gottesdienst aus der Petrikirche oder andere An­gebote der Kirche verfolgen. Und nebenbei ist es auch überaus praktisch, dass ich Filme und andere Sendungen jetzt über die Mediatheken und YouTube schauen kann. Da kann man pausieren, wenn und wann man möchte, und guckt dann einfach später weiter. Oder wenn man mal einschläft, was mir öfter passiert (lacht), hat man nicht die ganze Sendung verpasst, sondern guckt sie ein­fach nochmal an. Aber den Austausch mit anderen Be­wohnern, Aktivitäten in der Gemeinschaft, die hier im Haus Ruhrgarten ja Gott sei Dank möglich sind, ziehe ich dem Internet doch vor.

Wenn Corona wieder mehr Freizeitaktivitäten zulässt und auch die Gottesdienste wieder normal stattfinden können, werden Sie dann trotzdem das digitale Angebot weiter nutzen?

Dissel: Nur wenn es mal nicht anders geht. Die Kontakte, die rea­len Treffen, sind mir sehr wichtig. Ich gehe normalerweise regelmäßig zum Frühstückstreff in die Pauluskirche. Da lernt man nette Leute kennen und macht auch gemein­same Ausflüge. Ich erinnere mich noch, wie sich der Pfarrer Herr Sonnenberger gefreut hat, als ich das erste Mal hinkam und mich mit einem „Da kommt ein neues Gesicht“ per­sönlich empfangen hat. Wenn man so freundlich begrüßt wird, da geht man doch mit viel Freude wieder hin. Ich bin gerne in diesem Kreis unterwegs, das sind alles so net­te Menschen und ich fühle mich in der Gesellschaft sehr wohl. Deshalb werde ich, wenn Gott will und es wieder möglich ist, den Frühstückstreff und die Gottesdienste wieder persönlich besuchen. Da Corona das momentan aber noch unmöglich macht, nutze ich das digitale Ange­bot, um wenigstens ein bekanntes Gesicht zu sehen.

Dieser Beitrag erschien zuerst im  Gemeindebrief der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde Mülheim.

  • 15.6.2021
  • Mareike Kluck-Dalski
  • Andreas Köhring