Kirchneubau als Ort des Willkommens

Sie ist eine Holzkonstruktion mit eigenwilliger Dachform, errichtet auf kreisrundem Grundriss: Die „Evangelische Willkommenskirche“, der Kirchneubau der Evangelischen Kirchengemeinde Overath, ist am vergangenen Sonntag eröffnet worden. Den Festgottesdienst wurde vom rheinischen Präses Dr. Thorsten Latzel und der Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises An Sieg und Rhein, Almut van Niekerk, mitgestaltet. „Die evangelische Kirche verändert sich äußerlich, aber auch innerlich. Wir bündeln Kräfte für den Aufbruch nach vorne“, sagte van Niekerk bereits im Vorfeld der Kirchenwidmung.

In Overath sei ein „sichtbares Hoffnungszeichen“ dafür entstanden, „wie Kirche und Gemeinde in Zukunft aussehen werden“, würdigte der Präses den Neubau dann am Sonntag in seiner Predigt im Festgottesdienst. Die Gemeinde habe einen geistlichen Hoffnungsort geschaffen „für Träume, die das Leben von Menschen verändern“, so Latzel in Bezug auf die biblische Geschichte von Jakob und der Himmelsleiter im 1. Buch Mose.

Große Zeitverschiebungen durch die Corona-Pandemie

Der Neubau des Ensembles von Kirche und Gemeindehaus, entworfen von dem Berliner Architekten Prof. Jörg Springer, hatte der Gemeinde eine Geduldsprobe abverlangt. Nach dem Baubeginn im Oktober 2018 und der Grundsteinlegung an Palmsonntag 2019 ging es zunächst gut voran, doch dann verzögerte die Corona-Pandemie wiederholt die Bauarbeiten. Im Frühjahr 2020, als man eigentlich hätte fertig sein wollen, zeichnete sich gerade einmal die Grundform der neuen Kirche ab. An ein Richtfest war nicht zu denken, es musste ausfallen. Vor einem Jahr lautete der Zwischenstand: zwar kein vollständiger Baustillstand, aber Covid 19 hebelte alle Zeitpläne aus. Dann aber besserten sich die Nachrichten: „Die neue Kirche wächst“, schrieb Martina Palm-Gerhards, Pfarrerin und Vorsitzende des Presbyteriums, im Juni. Da war der Parkettboden in Arbeit, Lautsprecher und Leuchten wurden installiert.

Außen Schiefer und schwarzes Holz, innen überraschend licht

Der Kirchbau lebt vom Kontrast: Außen mit Schiefer gedeckt und mit schwarzem Holz umfasst, erwartet einen beim Eintritt ein überraschend lichter, weißer Gottesdienstraum. „Er schließt für den Gottesdienst auf“, sagt der Kölner Projektsteuerer Volker Langenbach. Für ihn ist die Kirche ein Unikat und die neue „Visitenkarte der Gemeinde“, bis auf Spezialanfertigungen wie beispielsweise die übergroßen Schiebetüren im Wesentlichen von Gewerken aus der Region erstellt.

Investitionskosten von 3,7 Millionen Euro

Was die Evangelische Willkommenskirche auch noch ausmacht, so Langenbach: Wie alle neueren evangelischen Kirchbauten, die mit seiner Hilfe errichtet wurden, hat sie ein mobiles Raumkonzept. Der Innenraum der Kirche lässt sich zweiteilen und auch das Foyer je nach Wunsch und Bedarf zu- oder wegschalten. So sind drei Räume parallel oder separat nutzbar. Insgesamt hat die Gemeinde 3,7 Millionen Euro in die Evangelische Willkommenskirche und das Gemeindehaus investiert.

Gemeinde mit einem ausgeprägten „Willkommensgen“

Unter sieben eingereichten Vorschlägen entschied sich das Overather Presbyterium für den Namen Evangelische Willkommenskirche. Willkommen – das steht für eine Gemeinde, die ein „Willkommensgen“ hat, wie Gemeindepfarrer Karl-Ulrich Büscher formuliert. Die Gemeinde erwuchs aus einer kleinen evangelischen Minderheit und hieß dann im Laufe der Zeit Flüchtlinge aus Ostpreußen, später aus Siebenbürgen willkommen, aus Ostdeutschland, aus der ehemaligen Sowjetunion, auch Geflüchtete im Kirchenasyl. Büscher: „Willkommen steht für eine Gemeindearbeit der offenen Tür und des gedeckten Tisches.“ Willkommen – das knüpft auch an das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn an: Der Vater empfängt ihn bedingungslos mit offenen Armen.

Name sinnbildlich für evangelischen Selbstanspruch

„Wir brauchen eine Kirche, die genauso erfahren wird, wie Ihre Kirche heißt: als ,Willkommenskirche‘“, griff Präses Latzel diese Haltung der Gemeinde in seiner Predigt auf. „Hier spielt es keine Rolle, woher du stammst, wen du liebst, wie du aussiehst, ob du reich, arm, dick, dünn, hässlich, hübsch, grau oder bunt bist. Du bist einfach willkommen. Weil wir alle Kinder Gottes sind. Willkommenskirche – so wollen wir uns als evangelische Kirche jedem einzelnen Menschen zuwenden.“

Zuvor waren zwei Kirchen aufgegeben worden

Zur Vorgeschichte des Kirchneubaus auf dem Overather Klarenberg gehört die Aufgabe von zwei Got-teshäusern. Eine Gebäudestrukturanalyse sprach dafür, aus zwei eins zu machen. Ihre Friedenskirche in Overath-Neichen veräußerte die Gemeinde 2017 an die Freikirche Overath, sodass der Sakralbau weiter genutzt wird. Im selben Jahr entwidmete sie ihre Versöhnungskirche. Sie steht heute – originalgetreu wiederaufgebaut – im LVR-Freilichtmuseum Kommern. Denn die Versöhnungskirche gehört zu den sogenannten Notkirchen von Otto Bartning, entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg und heute denkmalgeschützt. Im Freilichtmuseum ist noch bis 31. Oktober 2021 eine Ausstellung über den Architekten zu sehen.

  • 7.9.2021
  • Anna Neumann, Ekkehard Rüger
  • ekasur.de