Präses Latzel predigt Hoffnung: „Seid trotzig und getrost. Seid füreinander da“

Heute Predigt zur Eröffnung der EKD-Synode in Hannover

Hannover/Düsseldorf. „Es wird nicht wieder werden, wie es einmal war.“ In seiner Predigt zur Eröffnung der EKD-Synode hat Präses Dr Thorsten Latzel die überwiegend schmerzhaften Erfahrungen während der Corona-Pandemie in Beziehung gesetzt zu den Zweifeln und der Verzweiflung, die prägend waren für die Entstehung vieler biblischer Texte. Die Sätze des Vaterunsers zählen für den Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland dabei zu den tragfähigen Worten, die Halt und Hoffnung geben können: „Sie versetzen mich heraus aus sorgenvoller Starre hinein in heilsame Bewegung.“

„Es wird nicht wieder werden, wie es einmal war. Das ist auch die Erfahrung, aus der die Bibel entstanden ist. Die Bücher des Alten Testaments, die Heiligen Schriften des Volkes Israel, wurden geschrieben, gesammelt nach dem tiefen Einschnitt des Exils. Auch nach der Rückkehr ins verheißene Land war es nicht wieder wie zuvor. Die Zeit dehnte sich und viele Erwartungen erfüllten sich nicht“, sagte der oberste Repräsentant der rheinischen Kirche am Abend in Hannover im Gottesdienst, mit dem die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eröffnet wurde. Die Bücher des Neuen Testaments seien geschrieben und gesammelt worden nach dem tiefen Einschnitt von Tod und Auferstehung Christi. „Das Kommen Christi und sein Reich ließen auf sich warten. Die Zeit dehnte sich und viele Erwartungen erfüllten sich nicht. Kommt er morgen, nächste Woche, nächstes Jahr, überhaupt einmal?“

Präses Latzel: Biblische Texte als Halt und Hoffnung

Damals hätten Menschen Antworten gesucht, um Gott und sich selbst zu verstehen, so Thorsten Latzel. „Sie setzten sich hin und schrieben auf, woran sie glaubten. Sammelten Texte, die ihnen Halt und Hoffnung gaben. Durch die sie Gottes Geist erfuhren. Worte, die ihren Glauben durch die Zeiten trugen. Tragfähige Worte: Was hilft uns, uns zu verstehen, da auch unser Leben, unsere Gesellschaft, unsere Kirche nicht mehr so sein werden, wie sie einmal waren?“ Hier sei das Vaterunser für ihn ein Schlüsseltext: „Das Gebet Jesu Christi lehrt uns, was es heißt, im wahrsten Sinne des Wortes ,protestantisch‘ zu leben – mitten in der Pandemie. Eine Anrede, sieben Bitten und ein hymnischer Schluss. Mehr nicht. Kurze, knappe Sätze, die mein Denken und Handeln neu ausrichten. Druck-Punkte für meine Seele.“

Raus aus der Sorge um mich selbst

Das Vaterunser unterstreiche, dass „wir glauben, dass es mehr gibt, als es gibt. Mehr als Viren, Naturgesetze. Mehr als das, was Menschen machen. Wir glauben, dass es einen Himmel gibt. Und einen Gott, der uns hört.“ Die sieben Bitten des Vaterunsers führten heraus: „Raus aus der Sorge um mich selbst, der selbstfixierten Nabelschau. Hin zum ,Du‘ – und zum ,Wir‘. Zur Begegnung mit Gott und zur Gemeinschaft mit allen anderen.“ Und schließlich verbreite das Vaterunser mit seinem Gotteslob am Ende Hoffnung: „Darum geht es: um Hoffnung. Ich lobe Gott und mache mir selbst bewusst: Es wird am Ende gut werden. Weil Gott regiert. Weil Gott die Kraft hat zu retten.“

Protestantisch leben ist das Gegenteil von Querdenkerei

„Protestantisch leben – mitten in der Pandemie. Das ist ziemlich exakt das Gegenteil von Querdenkerei“, machte der 50-jährige Theologe deutlich, der seit 20. März an der Spitze der Evangelischen Kirche im Rheinland steht: „Es geht um Trost und Trotz des Glaubens. Eine tiefe innere Widerständigkeit aus Gott. Es wird nicht wieder werden, wie es einmal war. Das ist die eine Seite der Wahrheit. Die andere ist: ,Gottes Reich kommt.‘ Deswegen: Seid trotzig und getrost. Seid füreinander da. Und lasst uns so aus Gottes Liebe leben. Das schenke uns Gott.“

  • 6.5.2021
  • Jens Peter Iven
  • ekir.de/Dominik Asbach